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Aktuelles aus den Spitälern

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Medikamentenversuche in der psychiatrischen Klinik Breitenau zwischen 1950 und 1980 – Gutachten

02.05.24
Aufgrund der vorliegenden Hinweise betrauten die Spitäler Schaffhausen, im Auftrag des Regierungsrats, einen unabhängigen Historiker mit einem Gutachten zu Medikamentenversuchen in der psychiatrischen Klinik Breitenau (heute Psychiatriezentrum Breitenau) zwischen 1950 und 1980. Das Gutachten bestätigt, dass in der damaligen psychiatrischen Klinik Breitenau solche Versuche unter Bedingungen, die aus heutiger Sicht problematisch sind, stattfanden. Die Ergebnisse weisen aber auch darauf hin, dass die Schaffhauser Psychiatrie für die Erforschung neuer Psychopharmaka im nationalen Vergleich keine bedeutende Rolle spielte.
Seit rund 135 Jahren befindet sich auf der Breite in Schaffhausen eine psychiatrische Klinik. 1991 wurde die kantonale Psychiatrische Klinik zum Psychiatriezentrum Breitenau und 2006 kam es zum Zusammenschluss der kantonalen Gesundheitsinstitutionen in den Spitälern Schaffhausern, einer selbstständigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Nach Bekanntwerden im Jahr 2015 von diversen Medikamentenversuchen in der Thurgauer Psychiatrie Münsterlingen zwischen 1940 und 1980 liess der Kanton Thurgau diese wissenschaftlich untersuchen. Weitere Kanton führten danach ebenfalls entsprechende Abklärungen durch, so auch der Kanton Schaffhausen. In Folge beauftragte der Regierungsrat die Spitäler Schaffhausern mit weiteren Abklärungen, womit die Spitäler Schaffhausen einen unabhängigen Historiker des Departements Geschichte der Universität Basel betrauten.

Stichprobe von 174 Patientenakten geprüft
Die wissenschaftliche Aufarbeitung begann im Frühjahr 2023. Dabei wurden Unterlagen in der Klinik Breitenau und im Staatsarchiv Schaffhausern auf Folgendes untersucht:

  • Hinweise zu Medikamentenversuchen in der psychiatrischen Klinik Breitenau
  • Informationsstand betroffener Patientinnen und Patienten
  • Gezielte Suche nach Unterlagen, welche in bereits bekannten Publikationen erwähnt wurden

Ausgehend von verschiedenen Kriterien wie Diagnose, Zeitraum sowie Informationen aus anderen Quellen wurde eine Stichprobenerhebung von 174 Patientenakten (98 Frauen, 76 Männer) festgelegt. Weiter wurden Verwaltungsakten, Jahresberichte sowie Archiv- und Bibliothekskataloge für die Abklärungen hinzugezogen.

Ergebnisse des Gutachtens
Das Gutachten bestätigt, dass auch an der psychiatrischen Klinik Breitenau in den 1950-er und 1960-er Jahren Medikamentenversuche stattfanden. In den 174 untersuchten Patientenakten konnten in 14 Fällen ungeprüfte Präparate identifiziert werden. Dabei handelte es sich um unterschiedliche Versuchspräparate, bei knapp der Hälfte um 'G 22355' – das Präparat, welches in der bereits bekannten Dissertation von Paul Fritz Trüeb (1959) erwähnt wird und im Frühjahr 1958 unter dem Namen Tofranil als erstes Antidepressivum zugelassen wurde. In den untersuchten Patientenakten finden sich zudem keine Hinweise darauf, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten über die Medikamententests informiert worden sind. Keine Anzeichen wurden gefunden, dass G 22355 vor dem Frühjahr 1957 zum Einsatz kam.

Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass die Schaffhauser Psychiatrie für die Erforschung neuer Psychopharmaka im nationalen Vergleich keine bedeutende Rolle spielte.

Regierung und Spitäler Schaffhausen drücken ihr Bedauern aus
Der Schaffhauser Regierungsrat und die Spitäler Schaffhausern nehmen Kenntnis von den Ergebnissen des Gutachtens und bedauern sehr, dass Betroffenen ein Unrecht widerfahren ist. Sie verdanken das durch den Historiker sorgfältig erstellte Gutachten.
Regierungsrat Walter Vogelsanger äussert sich positiv dazu, dass der Kanton Schaffhausen und die Spitäler sich diesem dunklen Kapitel aktiv gestellt haben. «Wir können die damaligen Verfehlungen nicht ungeschehen machen, geben den Betroffenen damit aber ein Stück ihrer Würde zurück.»
PD Dr. med. Bernd Krämer, Chefarzt Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter Psychiatrische Dienste, ist überzeugt, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit den kritischen Blick und das Bewusstsein in der Gegenwart schärfen kann, und erklärt: «In der Psychiatrie haben wir es mit Menschen zu tun. Deren Rechte und Bedürfnisse gilt es zu berücksichtigen. Wir müssen stets mit Bedacht handeln und uns fragen, ob wir das, was wir tun, auch tun sollen.»

Stand heute
Studien in dieser Form sind heute nicht mehr denkbar. Es gibt diverse Richtlinien für Studien von Medikamenten an Patientinnen oder Patienten, unter anderem müssen solche Studien einer unabhängigen Ethikkommission vorgelegt und von dieser bewilligt werden. Ausserdem muss ein informiertes Einverständnis der Personen vorliegen, die an einer Studie teilnehmen. Medikamententests finden heute vor allem an Universitätskliniken statt. Im Psychiatriezentrum Breitenau finden heute keinerlei Medikamentenstudien mehr statt.

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